TRIBECA FILMFESTIVAL

Rauchzeichen aus New York

Von Werner Theurich

Das erste TriBeCa-Filmfestival sorgte nach der 9/11-Depression für neuen Kulturaufschwung und gab den New Yorkern wieder einen Grund zum Feiern. Auch im zweiten Jahr gelang den Veranstaltern der Spagat zwischen Glamour, Musik und unabhängiger Filmkunst.

 

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...New Yorks derzeit wegen Steuererhöhungen nicht sehr populärer Bürgermeister Michael Bloomberg ließ es sich nicht nehmen, neben De Niro und U2-Sänger Bono bei der Eröffnung wieder etwas Freude und Entspanntheit zu verbreiten.

Man muss es den Organisatoren zugute halten, dass sie den Avantgardisten, Experimentierern und Underdogs mehr Raum als bei vielen anderen vergleichbaren Filmfesten einräumen. Glamour musste natürlich dennoch sein: Al Pacino und Helen Hunt hielten in Diskussionen und Workshops Hof, Gwyneth Paltrow und Renée Zellweger (feierte die Premiere ihrer Nostalgie-Komödie "Down With Love") glitzerten in Promotionveranstaltungen außerhalb des reinen Festivalbetriebes, und für Vergnügungssüchtige gab es Partys zuhauf. Mit Whoopie Goldberg und Michael Moore wies auch die Jury prominenten Namen auf. In den Vorführräumen jedoch glühte der Enthusiasmus der Puristen.

Einer dieser Puristen und letzen Einzelkämpfer des Kinobetriebes ist der Hamburger Filmemacher Peter Sempel, der zuletzt mit seinen Filmbiographien von Nina Hagen und Motörheads Lemmy Kilmister für Insider-Furore sorgte. Sempel ist ein Globetrotter des Kinos und fast permanent Gast kleiner und größerer Festivals zwischen Singapur, Los Angeles, Genf und Quedlinburg. Ständig hat er seine Kamera dabei und filmt Leute, Situationen und Ereignisse. Seine assoziative und freie Bildsprache nähert sich auf Augenhöhe seinen Sujets und Protagonisten und schafft gerade dadurch eine Intensität, die den Betrachter sogartig mitreißt.

Beim diesjährigen TriBeCa-Festival war er mit seinem neuen Dokumentarfilm "Jonas At The Ocean" vertreten, der sich mit dem Leben und Werk von Jonas Mekas befasst, einem Schriftsteller, Regisseur, Dozenten und großen Ikonen des Avantgardefilms. In Litauen geboren begründete er 1970 in New York die berühmten Anthology Film Archives, heute eines der international angesehensten Film-Institute mit angeschlossener Fach-Bibliothek. "Jonas At The Ocean" ist ein Mix aus Fakten, poetischen Bildern und Lebensstationen des Künstlers und Innovators. Dazu gibt es Interviews mit Nam June Paik, Wim Wenders, Allen Ginsberg und Musik von Nick Cave, Philip Glass oder Velvet Underground. Anders als mit Sempels radikalem und forderndem Filmstil könnte man sich einem Universalisten wie Mekas, in dessen New Yorker Wohnung einst Federico Fellini und Andy Warhol über Kunst fachsimpelten, wohl kaum nähern. Mekas leitet heute mit 80 Jahren noch immer "sein" Film-Institut und gehörte selbstverständlich zu den Ehrengästen des TriBeCa-Festivals... (Mai 2003)